Magdeburger Studenten besuchen das Kloster Vien Giac Deutschland ist vielfältig. Menschen unterschiedlicher Herkunft, Sprachen und Weltanschauungen leben und arbeiten in diesem Land miteinander und genießen die Freiheiten einer liberalen Gesellschaft. Neben manchen Problemen, die sich aus dieser Vielfalt ergeben können, bietet sie auch Ressourcen für neue Lern- und Bildungserfahrungen. Jedes Jahr bietet Vertr.-Prof. Dr. Olaf Beuchling (Thien Tri) vom Lehrstuhl für Internationale und Interkulturelle Bildungsforschung an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg ein Seminar mit dem Titel „Interkulturalität und Bildung“ an. Teil dieser Lehrveranstaltung sind gemeinsame Exkursionen. Ziel dieser Exkursionen ist es, positive Beispiele für interkulturelles Leben in Deutschland hautnah kennenzulernen. Für diesen Sommer schlug Prof. Dr. Beuchling vor, zum Vesakhfest das Kloster Vien Giac in Hannover zu besuchen. Die Studierenden waren sofort interessiert. Der Gründerabt des Klosters, der Hochehrwürdige Thich Nhu Dien, und der Abt des Klosters, der Ehrwürdige Thich Hanh Bon, stimmten dem Besuch ohne Zögern zu und man verabredete sich für den Sonntag, den letzten Tag des Vesakhfestes.
Am Vormittag trafen sich die 17 Teilnehmer der Exkursion auf dem Hof der Pagode. Der Gründerabt Thich Nhu Dien ließ es sich nicht nehmen, die Gruppe persönlich zu begrüßen. Im Hintergrund der spielenden Kinder, erzählte er mit leiser Stimme, wie er nach Deutschland kam und nach und nach das vietnamesisch-buddhistische Leben hierzulande aufbauen konnte.
Für die Studenten erschien es wie in einem Theaterstück: Der Vorhang öffnete sich und die Gruppe fühlte sich mit einem Mal von der westlichen Welt nach Asien teleportiert, inmitten einem regen Treiben von goldenen Altären, mythologischen Figuren von Drachen und Blumen, und Hunderten von Menschen, die ihre Buddhas lobpreisen.
Die Teilnahme an der Hauptzeremonie zum Vesakhfest war für die Studierenden eine neue Erfahrung. Redlich bemüht, nicht aufzufallen, beobachteten sie die Teilnehmer. Von den Jüngsten bis zu den Ältesten warfen sich die Menschen vor dem Buddhas nieder. Und die Studenten, die all das nicht verstanden, folgten respektvoll der Menge in ihrem Lobpreis. Viele zeigten Gefallen an den ungewohnten, melodischen Rezitationen. Nach Beendigung der Zeremonie und den Dharmavorträgen hatten die Studierenden von dem Seminarleiter kleine Aufgaben aufgetragen bekommen. Ziel war es, sich aus der Gruppe zu lösen und mit den buddhistischen Besuchern des Festes ins Gespräch zu kommen.
Die vietnamesischen Buddhisten erwiesen sich als offen und behandelten die neuen Besucher nicht als Fremde. In mehreren Kontaktmöglichkeiten vermittelten sie einen Teil des Wissens über ihre Kultur. So lernten die Studenten zwischen Opfergaben, Fotos der Verstorbenen und dem starken Duft von Weihrauch etwas über die Bedeutung der Familie auch über den Tod hinaus.
Einige ließen sich den Kräutergarten zeigen, andere versuchten sich am xam-Orakel. Immer zur Stelle war auch Nguyen Thanh Hai aus Berlin, der den Besuchern Fragen beantwortete und sich um ihre Betreuung kümmerte.
Eine Besucherin des Tempels, ebenfalls vietnamesischer Herkunft, wandte sich an eine der Studentinnen, um ihr zu erklären, wie das Orakel funktionierte und wie wichtig die innere Einstellung war, um es zu benutzen. In diesem Sinne stellt das Orakel nicht nur ein Mittel zur Vorhersage der Zukunft dar, sondern ist auch ein Mittel zur Entspannung des Geistes.
Immer positiv zu denken und anderen zu helfen, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten, waren zwei der Lehren, die die Studentin aus dieser Erfahrung mitnehmen konnte.
Angesichts des Unbekannten oder Neuen kamen für die Studenten viele Fragen auf. So wunderte sich eine kubanische Studentin über ein Swastika auf einer der Buddhafiguren, bis ihr erklärt wurde, dass sich dabei um ein sehr altes Symbol handelt, dass in zahlreichen asiatischen Religionen Verwendung findet.
Auch für das leibliche Wohl wurde gesorgt: Die vielfältigen vegetarischen Gerichte beeindruckten ebenso wie das gut organisierte Verkaufssystem. Gemüsebasierte Suppen mit Nudeln, Frühlingsrollen, verschiedene Süßspeisen aus veganer Gelatine und den „Kaffee mit Milch on the rocks“ waren einige der Gerichte und Getränke, die die Studenten probieren konnten.
Nach dem Mittagessen erklärte sich der Ehrwürdige Abt Thich Hanh Bon spontan bereit, den Magdeburger Gästen eine Einführung in die Meditation anzubieten. Man zog sich dazu in den schattigen, kühlen Raum im Blumengarten des Klosters zurück. Der Abt erklärte detailliert und kenntnisreich die Verbeugung vor dem Altar, dann die Körperhaltung und die Atmung in der Meditation. Nach der Meditation wies er auf die Bedeutung der Massagen hin, die insbesondere nach längeren Meditationssitzungen hilfreich sind. Die Massage, so betonte der Mönch, ist selbst Teil der Meditation.
Am Nachmittag führte Herr Hugo Cardenas die Besucher durch die Räumlichkeiten und erklärte manches Detail zum Leben in dem Kloster.
Nach fünf kurzweiligen Stunden als Gäste des Klosters Vien Giac fuhren die Studenten zurück nach Magdeburg, mit neuen Eindrücke und persönlichen Erfahrungen im Gepäck. Eine Studentin aus China, die selbst aus einer buddhistischen Familie stammt, stellte fest, dass sie persönlich in ihrer Heimat nie so ein großes Fest miterleben konnte. Allen erschien es, als habe man, nachdem man durch das Klostertor geschritten war, einen Tag lang Urlaub in Vietnam verbracht. Der Unterschied: Hier sprachen die Menschen nicht nur Vietnamesisch, sondern auch Deutsch. Daher gingen viele nicht weg, ohne ihren Wunsch nach Rückkehr zum Ausdruck zu bringen. Hervorzuheben, dass es sich um eine Erfahrung handelt, die sie gerne wiederholen würden.
Die Autoren:
Olaf Beuchling (Thien Tri), Dr., vertritt die Professur für Internationale und Interkulturelle Bildungsforschung an der Universität Magdeburg.
Lianet García Samper, BA, ist kubanische Kulturwissenschaftlerin und Masterstudentin für Internationale und Interkulturelle Bildungsforschung an der Universität Magdeburg.