Zwischen grünen Obstbaumwiesen und Bauernhöfen versteckt sich ein paar Kilometer südlich von Ravensburg ein kleines buddhistisch-vietnamesisches Kloster. Und nicht nur Buddhisten sind stets willkommen, sich im Vien Duc Kloster umzusehen. Genau das hat das WOCHENBLATT getan.
UNTERESCHACH – Vorbei an Bauernhöfen und Obstbaumwiesen geht es eine schmale Straße entlang. Hier würde man Kühe vermuten, Traktoren, vielleicht eine kleine Kapelle. Aber ein vietnamesisch-buddhistisches Kloster? In Untereschach bei Ravensburg gibt es seit ein paar Jahren allerdings genau das. Ein großes Tor aus Eisenholz begrüßt den Besucher. Unwirklich wie eine Filmkulisse. Gleich rechts dahinter eine ber drei Meter hohe und drei Tonnen schwere weiße Marmor-Statue – gefertigt aus einem einzigen Stück und von Vietnam hierher gebracht. „Vien Duc“ heißt dieser magisch exotische Ort in Untereschach, was vollkommene Tugend bedeutet. Es ist Teil des großen Klosters „Vien Giac“ (=vollkommene Erleuchtung) in Hannover mit einer der größten Pagoden Europas. Der Hochehrwürdige Gründer Abt Thich Nhu Dien (66) kommt regelmäßig nach Oberschwaben. „Es ist ein wunderschöner, ruhiger Ort, um Schriften zu übersetzen“, erklärt er. Seit 1977 lebt er bereits in Deutschland. „Wenn man eine Zeit hier verbringt, erkennt man, dass das Herz der Deutschen sehr warm ist“, sagt er.
Aus Liebe zu allen Lebewesen verzichten er und seine Mönchsbrüder auf Fleisch, ernähren sich streng vegetarisch. Wie fast alle Buddhisten. Und wenn Thich Nhu Dien in Untereschach weilt, besorgt er sich Lebensmittel wie Tofu und Gemüse ganz normal im Supermarkt – im buddhistischen Gewand und mit kahlem Kopf.
Nur ein Mönch bewohnt das Kloster Vien Duc dauerhaft. Er kümmert sich um die Belange der vietnamesisch-buddhistischen Gläubigen der Region. Zu Hochzeiten oder Beerdigungen führt er spezielle Zeremonien durch. Jeden Tag steht er um 5.30 Uhr auf; zur Sitzmeditation. Später folgen Andachten und Rezitationen heiliger Verse. Jeden Tag, jede Woche, das ganze Leben lang. Manchmal besucht er seine kranken Schützlinge auch in der Klinik. Alles wird durch Spenden finanziert. Nicht nur Geld, auch Arbeitskraft wird gespendet, um das 9000 Quadratmeter große Gelände in Schuss zu halten.
Goldene Buddha-Statuen schmücken den Gebetsraum, der früher einmal ein Stall gewesen ist. Wenn Thich Nhu Dien den riesigen Gong am Eingang schlägt, vibriert der ganze Körper. Fünf Jahre dauerten die Renovierungsarbeiten des ehemaligen Bauernhofes. Heute ist hier jeder willkommen. Alle, die neugierig sind, dürfen sich die verschiedenen Räume anschauen – und gerne auch ein bisschen dort bleiben. Zu den regelmäßigen Veranstaltungen sind auch Westler herzlich eingeladen. „Es finden sich immer Vietnamesen, die gerne alles erklären und übersetzen“, sagt der Hochehrwrdige Thich Nhu Dien. Denn natürlich ist alles auf vietnamesisch. In bereitliegenden Büchern stehen die heiligen Verse aber auch auf deutsch.
Auch Martin Kohler aus Friedrichshafen kommt regelmäßig hierher. Einmal in der Woche trifft er sich mit Gleichgesinnten zum Meditieren. „Die Atmosphäre ist einfach ganz anders als zu Hause. Hier kann ich mein inneres Gleichgewicht finden und zu mir selbst kommen. Es ist meine spirituelle Heimat geworden“, erklärt der Zollbeamte. Zum Dank dafür hilft er, wenn es notwendig ist, beim Hecken schneiden oder Bäume fällen. Aufgewachsen als Christ, fand er vor Jahren zum Buddhismus.
Eigentlich eine ganz andere Richtung als die, welche in Vien Duc vertreten wird. Aber das spielt hier keine große Rolle. Der Hochehrwürdige Thich Nhu Dien erklärt die Toleranz und die Offenheit des Buddhismus so: „Der Buddhismus ist wie eine Lotusblüte, der Katholizismus wie eine Rose. Je mehr Blumen es gibt, desto schöner wird der Garten.“